Wurzeln schlagen in Brest

Zur Zeit sind wir, zum zweiten Mal, in Le Conquet. Das kleine Fischerdorf hatten wir erstmals als möglichen Anlaufhafen nach der Kanalüberquerung ins Auge gefasst, sind dann aber mit günstigem Wind und mit dem Wunsch, Brest möglichst schnell anzulaufen (Motorproblem), daran vorbeigesegelt.

Den ersten Besuch hatten wir Le Conquet mit Ivo und Lukas abgestattet, als Teil einer gelungenen Besuchswoche. Die beiden hatten gutes Wetter mitgebracht, was allerdings zuweilen auch für etwas wenig Wind verantwortlich war.

Der einwöchige Törn kam trotz Motorbedenken zustande. Der Mechaniker hatte für den einen Motor grünes Licht gegeben, obwohl der Öldruckalarm dauernd anging (der andere Motor war schon aufgeschraubt und bedurfte eingehenderer Analysen. Die ursprüngliche Skipperanalyse ‚Zylinderkopfdichtung ersetzen‘ erwies sich leider als falsch). Anscheinend war der Sensor und nicht der Öldruck das Problem. Der Motor hat dann auch tatsächlich keinerlei Probleme bereitet. Und so segelten und motorten wir recht gemütlich von Brest nach Camaret-sur-Mer, Morgat, Douarnenez, Le Conquet und Le Fret zurück nach Brest. Der Törn war eigentlich als Inselhopping geplant. Ouessant, Molèn, Ile du Sein und evtl. gar die Glénans waren unser Ziel. Am Schluss haben wir keine einzige erreicht! Aber immerhin haben wir es probiert, sind aber kläglich gescheitert. Das kam so: wir wollten von Morgat zur Ile de Sein, die vor dem Point de Raz liegt, einem berühmt-berüchtigten Kap, das im Übrigen der einzige ‚Grand Site de France‘ der Bretagne ist – was immer das heisst. Auf alle Fälle führt der Gezeitengang hier zu sehr starken Strömungen von bis zu 6 Knoten. Am stärksten sind die Strömungen zu sog. Springzeiten. Das ist dann, wenn Sonne und Mond in Linie zur Erde stehen und so das Wasser besonders stark anziehen. Am 19. September war Springzeit. Die September-Crew versuchte genau an diesem Tag zur denkbar schlechtesten Zeit die eigentlich kurze Überfahrt – in voller Kenntnis der Umstände – in Angriff zu nehmen. Es war praktisch windstill und so wollten wir es zumindest versuchen. Aber eben: starker Strom von seitlich bis vorlich und vor allem plötzlicher Wind von 17 Knoten Stärke gegen den Strom sowie geringe Wassertiefen liessen innert kürzester Zeit und sehr begrenzt steile und recht hohe Wellen entstehen. In Windeseile war die Crew um ein Mitglied reduziert (natürlich noch an Bord aber nur noch horizontal lagerbar mit Eimer in Griffnähe). Als dann unmittelbar vor uns ein anderer Segler vom lokalen Search & Rescue Boot abgeschleppt wurde, nahmen wir das als Zeichen, die Ile de Sein sein zu lassen, machten eine Wende und fuhren zurück in die Schutz bietende Bucht von Douarnenez. Interessant war zu beobachten, wie das praktisch kochende Meer von einem Meter auf den anderen ganz ruhig wurde, sobald eine unsichtbare Grenze, an der die Strömungen sich wohl begegnen, überschritten war. Ohne diese Episode wären wir Douarnenez wohl nicht angelaufen, was wirklich schade gewesen wäre. So hat also alles auch seine gute Seite.

Eine amüsante Episode ereignete sich am Vortag in Morgat, wo wir vor Anker lagen und uns gerade auf den Landgang mit dem Dinghi vorbereiteten. Ein Gummiboot des Zolls war nach einem ersten Augenschein entgegen den Hoffnungen der Crew doch wieder zurück gekommen und kam an Bord, um zu dritt eine Inspektion der September und der Crewmitglieder vorzunehmen. Letztmals war uns das 2009 im Ärmelkanal passiert, als wir, während wir recht flott segelten, auch Besuch von einem Zollgummiboot bekamen. Als wir das am Schluss erwähnten, meinten die Beamten nicht ohne Stolz, dass das damals auch schon sie gewesen wären! Na, die Franzosen haben also wirklich keine Sorgen, wenn sie sich das als einzige Nation leisten können.

Nun also zum zweiten Mal Le Conquet, aber diesmal auf dem Landweg per Velo. Und von hier aus wollen wir nun auf die Ile d’Ouessant. Allen Schweizer Hochseescheininhabern wohl ein Begriff von den Seekartenaufgaben der theoretischen Prüfung. Wir sind hier ebenfalls vorbeigesegelt, nachts.

Und dann eben die Wurzeln in Brest. Wir haben uns für eine etwas gründlichere Motorenlösung entschieden und sitzen daher wohl für einige Wochen fest. Mehr zur Lösung, wenn sie spruchreif ist.
Der Vorteil: zum ersten Mal haben wir wirklich einfach Zeit. Der Nachteil: eigentlich das Selbe; wir sind uns gewohnt, immer irgend ein Ziel zu verfolgen oder einen Termin vor Augen zu haben und beides iss nun nich. Das prüft nun unsere Geduld. Zudem werden wir zu einer Zeit weitersegeln müssen, in der in dieser Gegend dann wohl langsam die Winterstürme zu erwarten sind, so dass wir nochmals Geduld brauchen werden beim Warten auf ein gutes Wetterfenster. Dann könnte man noch anführen, dass es adrettere Orte als Brest gibt. Das ist schon so. Brest als Stadt zeichnet sich dadurch aus, dass es einerseits im zweiten Weltkrieg praktisch total zerbombt und danach sehr schnell und lieblos wieder aufgebaut wurde. Und andererseits ist es ein wichtiger Militärhafen mit noch etwas Industrie drum herum. Der Mix ist nun wirklich nicht berauschend. Dafür ist die gesamte Umgebung, in die Brest eingebettet ist, sehr schön. Und die Marina du Moulin Blanc, in der wir liegen, ist ein sehr emsiges Wassersportzentrum, in dem täglich viele Schulklassen allen möglichen Arten von Wassersport nachgehen (müssen).
Wir werden nun zum ersten Mal einfach irgendwo leben, wie das alle anderen auch machen. Mal sehen, wie uns das bekommt…..

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Klaus Tischhauser
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