Die Zeit tröpfelt dahin, gemächlich, und so wird es auch weitergehen müssen. Denn eigentlich dachten wir – gemäss eigener Wetteranalyse – dass heute ein guter Startzeitpunkt wäre, um zum Sprung rüber aufs europäische Festland anzusetzen. Sebastian von Wetterwelt.de hat uns aber stark davon abgeraten. Also gehorchen wir. Und es soll noch lange nicht besser werden. Also ist Geduld gefragt. Insider wissen: ein Problem mit der Hälfte der Crew. Blicken wir also lieber zurück.
Von Velas auf der Insel Sao Jorge sind wir weitergesegeltmotort. Wir hatten das so getimed, dass wir mit gaaanz langsam segeln im Hellen am nächsten Tag ankommen. Wir kamen dann langsam motorend um 4 Uhr nachts an, da das langsame Segeln einhergegangen wäre mit heftigem Bimbam-Geschaukle. Die Bucht von Angra de Heróismo hat den Ruf, etwas schwellig zu sein. Wir fanden es recht ok und hatten Freude an unserem Ankerplatz vor der UNESCO-Weltkulturstadt. Die Stadt hat es uns ein wenig angetan. Lebendig, sehr schön und wunderbar gelegen. Drei Tage hatten wir einen Scooter unter unseren Hintern und kurvten auf der Insel rum. Toll! Angenehmes Klima, kaum Verkehr, gute Strassen, schöne Landschaft. Und ein paar besuchenswerte Orte, wir Fumarolen, Höhlen, Naturbäder. Den ersten Tag fuhren wir allerdings nur um die Insel und hielten die Aktivitäten auf dem geringst möglichen Niveau. Denn, es ging uns schlecht. Und das, obwohl es das Wiegenfest der Skipperin zu feiern gab! Wir hatten das eben schon ab Mitternacht an Bord der ‚Porque no‘ gemacht, zu Gast bei Antonia, Max und Daniel. Wir können dazu nichts verraten, nur soviel: in all den Jahren ist es uns – bis zu dem Abend – nicht gelungen, jemals von Bord des Schiffes oder aus dem Dinghy zu fallen…
Auf unseren Ausflugsfahrten besuchten wir Praia de Heróismo – wir liegen jetzt gerade da – , ein Ort, den viele Segler ansteuern. Wir befanden, dass wir da gar nicht hinmüssen, da Angra einfach viel netter ist. Auf dem Nachhauseweg kamen wir in einem Dorf vorbei, in dem, wie wir vermuteten, gerade ein ‚Stierkampf‘ vorbereitet wurde. Also stellten wir unser Gefährt in sicherem Abstand ab und mischten uns unter die wartende Menge. Sehr viele davon schienen Auswanderer in die USA zu sein, die in den Sommermonaten anscheinend in grosser Zahl auf die Inseln zum Ferien machen kommen. Das Ereignis ist dann etwa so wie ein Baseball-Spiel; lange passiert nichts, dann ein kurzer Aufreger, dann wieder lange nichts. Denn der Stier bekommt sozusagen einfach Ausgang im Dorf. An einer sehr langen Leine, an der mehrere Gruppen von jeweils 5 Mann verteilt sind, wird der Stier für eine halbe Stunde aus seiner Box gelassen und kann frei herumlaufen. Begrenzt nur durch die Männer am Seil, die aber möglichst im Hintergrund bleiben. Die möglichen zu besuchenden Strassen bzw Hauseingänge sind mit Brettern gesichert, das Dorf für einige Zeit für den Verkehr gesperrt. Wer will kann sich nun so weit ihn (Frauen machen das praktisch nicht) sein Mut bzw seine Dummheit trägt dem Stier annähern. Der bleibt meist total unbeeindruckt. Und so vollführen die Mutigen die unterschiedlichsten Sachen, um den Stier irgendwie zu bewegen. Beliebt sind Regenschirme, was nicht so schlecht funktioniert. Das rote bzw rosa Tuch klappt auch manchmal. Und ab und zu trabt dann der Stier tatsächlich auf einen Provokateur zu, der dann meist recht schnell und hasenfüssig das Weite sucht. Erfahrenere ‚Toreros‘ rennen nicht weg, sondern machen einen Schritt zur Seite bzw lassen den Stier einfach an sich vorbei durchs Tuch rasen. Das ist schon nicht ohne. Schafft das einer so zwei, drei Mal, ist ihm Applaus gewiss. Meist aber rennen die Leute davon, wobei der Stier auf den letzten Metern unglaublich beschleunigen kann, so dass ein Stolperer oder sich mit der Distanz zum Schutz zu verrechnen etwas schmerzhaft werden kann. Terceira scheint bekannt zu sein für diese Events, die etwa wie ein Gruempelturnier bei uns wirken.
Wir hatten es dann bald gesehen, kamen aber einen Tag später wieder an einen Ort, an dem etwas vor sich ging, das an einen Stierkampf erinnerte. Diesmal aber ausserhalb eines Dorfes in einer kleinen Arena mit angeschlossenen Zonen für die Tiere. Das war praktisch ein privater Anlass, zu dem wir aber freudig eingeladen wurden, mit Bier und Schnitzelbrot. Die Stiere waren noch jung und das Ganze spielte sich im Rahmen von ca 30 Leuten ab. Der Stier lief in der Arena ohne Strick herum, die Leute hatten Mühe, die Tiere zu etwas ‚action‘ zu animieren. Lustig war es allemal und durch die Gespräche informativ.
Wer sich etwas amüsieren will, kann ja mal auf youtube Bullfight und Terceira eingeben.
Die Insel Terceira ist voller Kühe, Stiere, Rinder, Kälber. Das wird derart subventioniert, dass die Bauern keinerlei Anreiz haben, etwas anderes anzubauen. So werden die meisten Früchte und Gemüse vom Festland eingeführt, obwohl auf den Azoren das meiste prächtig gedeihen würde. Frischmilch findet man übrigens im Supermarkt kaum!
Der Ankerplatz im von uns so geliebten Angra wurde plötzlich sehr schwellig, sodass wir uns entschieden, doch noch nach Praia zu wechseln, obwohl unsere Überfahrt kurz bevorstand. Wir hofften in Praia nicht nur auf Ruhe, sondern auch auf Diesel, da die Säule in Angra ausser Betrieb war. Es kam alles anders.
Denn wie erwähnt rückt unser Start irgendwo in die Zukunft und Diesel am Steg gibt es hier auch nicht. So beginnt der Tag hier mit einer Fahrt mit dem Dinghy ans Land, dann mit Velo und Kanister hoch zur Tanke, frische Gipfeli vom Supermarkt daneben kaufen und zurück zum Boot an den gedeckten Frühstückstisch.
Ansonsten basteln und abends durch das Festival von Praia schlendern, das neben Musik auch eine Gastronomiemesse bietet! Es hätte schlimmer kommen können. Bilder übrigens unter ‚Neueste Bilder‘ unter ‚Fotos‘.