Beim gestrigen Ausflug in die nahe Umgebung von San Cristóbal hat uns – unerwarteterweise – ein Kirchenbesuch besonders beeindruckt. 12 km von San Cristóbal entfernt liegt die Ortschaft Chamula. Hier leben viele Tzotzils, ein Mayafolk, das sich bei der Eroberung durch die Spanier unter anderem hierher zurück gezogen hatte. Dem von den Spaniern auferzwungenen christlichen Glauben widersetzten sie sich erfolgreich, mussten aber am Schluss bei der Nutzung der durch die Spanier errichteten Kirche Iglesia de San Juan de Chamula doch ein paar wenige Kompromisse eingehen. Und so tritt man beim Besuch der Kirche, in der strikt keine Foto- und Videoaufnahmen erlaubt sind, in eine komplett andere Welt ein. Kirchenbänke fehlen, wurden alle ausgeräumt. An den Längsseiten stehen links ‚Boxen‘ mit Heiligen, rechts solche mit Jungfrauen. Die sollten – als einer von zwei Kompromissen – in der Kirche bleiben. In einer hinteren Ecke befindet sich noch eine Taufeinrichtung, der zweite Kompromiss. Ansonsten ist praktisch der gesamte Boden – zur Hygiene – mit grünen Pinienwedeln ausgelegt, unterbrochen von freien Flächen, auf denen Unmengen an Kerzen flackern. Um diese herum sitzen Menschen in unterschiedlichen Gruppengroessen, die Frauen meist im lokalen ‚Klassiker‘, einem Rock aus schwarzer, langhaariger Schafswolle. Den Seiten entlang und überall, wo es sonst noch Platz hat, lodern weitere Kerzen. Ueberspannt ist der ganze Raum mit grossen, farbigen Bändern, die dem Ganzen einen Zeltcharakter geben und ein Symbol für die umliegenden Berge sind.
Mit dem ersten Schritt fühlt man sich praktisch mitten in einer Krippenszene. Das einzige, dafür reichliche Licht stammt von den Kerzen. Zwischen den Menschen am Boden laufen andere herum, es spielen sogar Kinder.
Unser Führer, dessen Dienste wir am Eingang gerne in Anspruch nahmen, erklärte uns das eindrückliche Treiben. Neben Bitten und Danksagung war noch eine dritte Aktivität zu beobachten. Menschen, die an etwas leiden, kommen mit einem Schamanen in die Kirche, der oder die ein Huhn mitführt. Um die Umgebung rein zu machen, werden wiederum Kerzen aufgestellt, dann alkoholische und andere Getränke. Der Boden wird mit dem stärksten Getränk (Posch?) eingerieben, damit alles rein ist. Das Huhn wird über die Flammen gehalten, ohne es anzubrennen, einfach auch als Reinigungsritual. Mit dem Huhn wir dann die zu heilende Person ebenfalls gereinigt, wahrscheinlich im rituellen Sinn. Dann wird das Huhn umgebracht. Wir sahen eine Schamanin, wie sie das Tier seitlich neben sich – also etwas diskret – stark und ruckartig am Kopf zog, bis ein leichtes Knacken wohl den Genickbruch anzeigte. Mit diesen Opfern sollte das Gleichgewicht zwischen Körper und Natur wieder hergestellt werden. Zu Hause war dann noch eine kräftigende Suppe aus dem Huhn zu erstellen, was zur Findung der Ballance sicher keinen unwesentlichen Anteil hat. Angerufen werden uebrigens die Sonne, der Mond, Wind, Wasser, die Natur. Also alles, was für die Menschen unmittelbar erfahrbar und wichtig ist. Die Kirchenglocken wurde übrigens abmontiert und stehen jetzt im Innenraum der Kirche. ‚Eigene‘ Glocken werden dreimal täglich geschlagen und zeigen Sonnenauf- und Untergang sowie deren Höchststand an.
Die Kirche ist rund um die Uhr geöffnet und sei auch zu jeder Tages- oder Nachtzeit besucht.
Wir sind tief beeindruckt! Die Bilder werden uns wohl im Kopf noch lange erhalten bleiben. Die wenigen Bilder im Internet geben das Ganze nur schwach wider. Zu aufgeräumt und ordentlich.
Zu Mittag gab es bei uns natürlich: Hühnersuppe!
Eine Antwort
Buen viaje y hasta la proxima vez i Suiza 🙂