Nach Glückstadt verliess uns das Glück

Hamburg verliessen wir am Mittwoch, dem 29.3.2023 gegen 9 Uhr. So herrlich wie bei der Ankunft präsentierte sich das Wetter nicht mehr. Trockenes Grau. Immerhin.

Aber unser erstes Ziel nach Hamburg hiess Glückstadt. Eine auf dem Reissbrett entworfene Stadt, die kreisförmig um einen zentralen Platz und mit Festungsanlagen erbaut wurde. Wirklich sehr nett! Vor allem bekannt (bei uns bis einen Tag vor Ankunft dort allerdings nicht) ist Glückstadt durch ihre Matjesproduktion. Und so kehrten wir abends – nachdem wir die Iraila draussen auf der Elbe vor Anker gelegt hatten – in der alten Mühle ein und orderten einen Matjesschmaus.

Absolute Köstlichkeit!! Unbedingt probieren!

 
Nach der Rückkehr zogen wir uns noch eine sechsteilige Serie rein und legten uns erst weit nach Mitternacht zur Ruhe. Ein ereignisreicher oder gar verhängnisvoller Tag hatte bereits begonnen…
Und das ist heute. Jetzt sitzen wir in unserer Iraila, die fest vertäut in Cuxhaven liegt. Aber heute Nacht verlangte der Tag bereits einiges von uns ab. Nach wenigen Stunden Schlaf, der (wohl wegen der vielen mit Schokolade ummantelten Kaffeebohnen) nur schwer zu finden war, trieben seltsame Geräusche den Skipper an Deck. Die Strömung drückte das Schiff in die eine Richtung, der Wind in die andere. So kam es, dass die Ankerkette nicht nach vorne zeigte, sondern nach hinten und am Rumpf scheuerte. Nachdem das einigermassen behoben war, gab es wohl eine Stunde Schlaf. Dann wieder nachsehen und feststellen, dass wir einer Fahrwassertonne sehr nahe gekommen waren. Also Anker auf. Wir brachen das Manöver aber ab, als wir uns durch anderslegen des Ruders etwas von der Boje entfernen konnten. Bald würde die Tide wieder drehen, dann würde alles besser und auch hell. Also noch eine Mütze voll Schlaf holen gehen. Keine gute Nacht. Kein guter Start in den Tag.
Heute war ordentlich Wind angesagt, so um die 23 Knoten, aber erst draussen auf See. Daher wollten wir nur bis Cuxhaven. Wir starteten schon im ersten Reff im Gross und nur mit der ‚Trinquette‘, so heisst (bei den Franzosen) unsere Fock. Bald kam ein zweites Reff dazu und auch die Fock wurde etwas gerefft. Wir kamen gut voran.
Nun, dummer- bzw. faulerweise hatte der Skipper das Code-0-Segel aufgerollt angeschlagen gelassen. Ein Leichtwindsegel, das wir noch nie korrekt ausprobiert hatten und das man eigentlich nur bei Gebrauch hochzieht und danach wieder in der Segellast verstaut. Eigentlich. Bei guter Seemannschaft. Bei uns nahm das Segel bei 30 Knoten Wind etwas Wind auf, und öffnete sich oben und unten. Dazwischen hielten die Schoten es fest, aber nicht fest genug. Just als wir uns Brote als Mittagessen in den Rachen stiessen, ging der Lärm los! Knapp neben dem viel befahrenen Elbeabschnitt vor der Einfahrt in den Nordostseekanal wurden wir schnell zum Spielball des starken Windes und konnten nicht einfach stoppen, da gleich neben dem Fahrwasser das Watt lockte…
Das Segel mit den wild schlagenden Schoten einfach runterlassen, war keine Option, da das a) zu gefährlich für denjenigen gewesen wäre,  der das Segel dann bergen müsste und b) hätte in die Schraube geraten können.
So motorten wir erst aus dem Fahrwasser, mit einem Lärm in den Ohren, der nichts Gutes verhiess. Dann erst mal Elbe Traffic informieren, dass wir ein Problem haben und daher am Rand des Fahrwassers vor Anker liegen.
Während wir analysierten, wir wir das Ding ohne Verletzung runter bekommen, slippten wir mitten in die Fahrrinne. Also wieder Abbruch und raus aus dem Fahrwasser, immer noch mit dem mittlerweile schon beschädigten Segel oben.
Nur ging das Ankerauf-Manöver auch nicht wie gewünscht von statten. Die Ankerkralle wollte sich nicht von der Kette lösen. Erst ein Hammer brachten den Erfolg. Dazwischen noch mit der ‚Funkaufsicht‘ reden, der nicht entgangen war, dass wir uns an einem Ort befanden, wo wir nicht hingehörten. Völlig ausser Atem, mit dem Hammer in der Hand, bestätigen wir, dass wir das Schiff noch unter Kontrolle hätten (wirklich??).
Dann gelang es endlich, Anker auf, wieder aus dem Fahrwasser, Anker setzen und endlich das Segel runter. Das wurde nun auch leichter. Ein Teil davon, das am Radar und Horn riss, war gerissen, so dass wir nun ‚freie Fahrt‘ hatten und das Ding problemlos runterbekamen. Endlich Ruhe. Keine Verletzungen, nur ein tolles Segel zerstört – unbenutzt.
Der Rest dann fast problemlos. Der Hammer lag schon bereit zum Ankeraufgehen. Einfach war es aber bei gegen 30kn Wind und gut 2kn Strömung auch nicht. Da müssen wir mit diesem Schiff noch etwas üben.
Und ansonsten mehr seglerische Disziplin, sprich eine gute Seemannschaft an den Tag legen. Immer wollen wir nicht soviel Lehrgeld bezahlen!
Also wieder einmal einer dieser ziemlich beschissenen Segeltage.

Zum Glück gibt es viele andere.

 
 
 
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Klaus Tischhauser

2 Antworten

  1. Sorry to hear that. Did I read right? Cuxhaven? … sounds more like Cruxhaven – the crux of Elbe sailing to C(r)uxhaven with pushy wind current is ‚Seemanschaft‘. I get it. – Would a couple of more hands be of help? – I don’t known. Klaus, I feel the pain… your pose and facial expression in the pictures says it all. But: glad nothing worse happened – easy to say while (office) chair surfing. Stay safe!

  2. Uuiijee…ja man sieht dir Klaus die Strapazen an. Aber Hauptsache ihr seid gesund und wieder gut drauf. Diese Scheisstage kennen wir. Grüße aus der windigen Wüste (im Wüstenmeer ist das Segeln einfacher). LG PaPe

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