Beaufort, Morehead, Ocracoke

Seit unserer Ankunft am Absprungort ist viel Zeit vergangen und wieder einiges passiert. Daher wird das hier etwas länger. Nach unserer ersten Nacht ‚vor den Toren‘ Moreheads sind wir gar nicht wie geplant dorthin gefahren, sondern nach Beaufort, das gleich daneben liegt und eben bessere Ankermöglichkeiten bietet. Beaufort ist nett, aber sehr klein. Kleiner Ausflug auf die Insel daneben, wo wir ein paar wilde Pferde sahen, die eine der ‚Attraktionen‘ der Gegend sein sollen.
Denn: sie sollen direkt von den Pferden, welche die Spanier einst mitbrachten, abstammen. Auch ein paar niedliche Hasen, deren Abstammung uns nicht bekannt ist, sowie tausende von kleinen Krebsen begegneten uns.
Veloausflug nach Morehead zur Post, um ein Paket mit Ersatz-LED-Lampen für die Positionslampe abzuholen. Plus Einkauf, plus nettem Mittagessen in einem etwas europäisch angehauchten Restaurant.
Ein paar Tage später fuhren wir dann die Seppi rüber an den Steg am Transient Dock von Morehead. Ist etwas praktischer, wenn das Schiff für die grosse Fahrt gefüllt werden muss. Am selben Tag stösst Andy von der Ulalena zu uns und wird unser neuer Nachbar.
Er legt bei starker seitlicher Strömung ein tolles Anlegemanöver in die Box hin und erntet breite Bewunderung. Wir verbringen einige schöne Stunden mit ihm, machen unter anderem einen Ausflug zum Beaufort Music Festival. Muss man sich bei uns mittlerweile auch zuerst ausweisen und ein Band am Handgelenk tragen, wenn man Bier trinken will? Nun, hier ist das so. Also etwa die gleich strengen Hindernisse wie zum Kauf halbautomatischer Schusswaffen. Gut, lassen wir das.
Am nächsten Tag ein weiteres Musikereignis in Atlantic Beach, der vorgelagerten Insel. Beach Music mit Shagging. Irgendwas aus den 50ern. Wir kommen da – bewusst – zu spät an, da wir den ganzen Weg zu Fuss gehen. Unter anderem auf einer etwa 1km langen Brücke ohne Trottoir. Naja.
Dafür sehr gutes Nachtessen (erwähnen wir immer, weil uns die amerikanische Küche ja nicht so aus den Socken haut).
Am Tag von Andys Abfahrt trifft Martha aus Hawaii bei uns ein. Sie hat einen Mietwagen und stammt ursprünglich aus North Carolina. Und so erkunden wir mit ihr nochmals Beaufort. Z.B den Friedhof, auf dem viele Gräber nummeriert sind und sich auf einem Zettel bzw pdf Geschichten zu den meist sehr alten Gräbern (ab ca 1700) und den zugehörigen Personen finden. Eines von einem Mädchen in einem Rumfass. Interessant.

Gutes Marinemuseum und dann noch Besuch des Aquariums. Martha arbeitet zur Zeit im Aquarium in Honolulu und ist ausgebildete Delphin-Trainerin. Also eine ideale Expertin an unserer Seite. Schliesslich noch Besuch von Fort Macon, das im Sezessionskrieg natürlich eine Rolle spielte.

Dann fahren wir mit Martha weiter nach Ocracoke, einer schmalen Insel der Outer Banks. Könnte auch Nordsee sein. Sehr nett. Lange Strände.

Unser Highlight: das letzte Nachtessen im Flying Melon. Leider ohne Martha, sie blieb nur eine Nacht, wir konnten uns etwas mehr Zeit nehmen und blieben zwei. Zurück fuhren wir mit den Velos, wir hatten sie hinten auf Marthas Truck geladen.
Schöne Fahrt, nur am Schluss etwas viel Verkehr und: ein Platten! Der Sparsamkeit des Skippers ist es zu verdanken, dass sein Hinterradpneu so stark abgefahren war, dass das unweigerlich so hat kommen müssen. So pumpte er die letzten zwei, drei Kilometer alle paar Hundert Meter. Selber Schuld.

Der nächste Tag begann mit einem ganz schlechten Omen: der Skipper schmierte sich aus Versehen Mozzarella aufs Brot, in der Meinung, es sei Butter! Schmiert aber nicht. Bei seiner Abneigung gegen Käse ein ganz schlechter Start in den Tag. Und so prophezeite er einen schlechten Tag. Leider mit Erfolg.
Nach dem Frühstück Gang in den Maschinenraum, wo der ganze Boden nass war. Aus dem Testwasserbehälter des Watermakers lief Wasser. Bilge auch voller Wasser. Erstmals den Borddurchlass – vor Tagen – nicht zugedreht. Mann, Mann, Mann. So ein Mist. Dabei ist unsere Liste zur Vorbereitung der Überfahrt ja schon lang genug. Jetzt noch Pneuwechsel, Schlauchflicken, Bootentwässern, bevor wir das angehen können. Stimmung auf Tiefpunkt.
Dann widmen wir uns einer Abwasserleitung, die nicht mehr gut abläuft. Schütten viel scharfes Zeug rein. Resultat: nun ganz verstopft! Ratlosigkeit. Stimmung noch tiefer. Weitere Grossarbeit im Anmarsch.
Am nächsten Morgen wieder am Frühstückstisch: ein Delphin zieht vorbei! Gutes Omen, sagt der Skipper! Und so ist das Schiff bald wieder trocken und sauber und das Abflussproblem leichter gelöst als gedacht. Danke!
Dieser Tag, den wir als ‚a day in the USA‘ wiedergeben möchten, war auch sonst besonders. Mit vielen Facetten von Land und Leuten, ganz kompakt.
Elgard fuhr zuerst alleine in die Stadt, ich zu Ace Marine, um mir – hoffentlich – ein Anschlussstück zum verstopften Abfluss, das ich zu allem Überfluss auch noch zerstört hatte, zu besorgen. Der Verkäufer machte einen guten Job, bastelte mir das Teil zusammen. So sagte ich ihm, dass ich, da er ja so gut sei, noch etwas für ihn habe und nestelte in meiner Hosentasche herum. Erschreckt hob er die Hände und sagte: Oh no, no, no, you really don’t have to do that! Da realisierte ich, dass er dachte, ich wolle ihm ein Trinkgeld geben. Dabei kramte ich nur einen alten Gummiring hervor, den ich ersetzt haben wollte!
An der Kasse bediente mich die Dame, die im Gegensatz zu allen anderen eher fröhlichen und lockeren Mitarbeitern, schon tags zuvor sehr mürrisch wirkte. In entsprechendem Ton sagte sie zu mir ohne aufzublicken: ‚Ican‘t take my eyes off of your shirt, I like it so much!‘
Tag mit dem Delphin eben. Danach fuhr ich dahin, wo ich Elgard treffen sollte. Auf dem Weg kam ich mit dem Velo an der Ampel links neben einem Wagen, leicht nach hinten versetzt, zum Stehen, da ich links abbiegen wollte. Am Steuer ein Mann mit ortstypischem Rauschebart (wieso hat eigentlich Warren Buffet mit Gillette so viel Geld verdienen können, wenn jeder zweite Amerikaner wie ein Holzfäller aussieht??). Aus dem offenen Fenster raunt er nach hinten: ‚Personal space, buddy!‘ Wie bitte? Fühlte der sich durch mich bedrängt? Angst, ich hätte eine Knarre? Verdutzt schwieg ich. Später dachte ich, die richtige Antwort wäre gewesen, er solle sich doch rasieren, wenn er mehr Raum um sich wolle.
Zwei Minuten später komme ich am Treffpunkt, einem Einkaufszentrum an und fahre über den Parkplatz. Es läuft eine Kleinveranstaltung mit einem Mann mit Megaphon. Plötzlich höre ich: ‚I like that bike! I like you shirt, I like just everything!‘ Ich winke, ohne genau zu sehen, wo der Mann steht. Nach einer Stunde ohne Elgard habe ich ihr schon viel zu erzählen.
An der Kasse dann stehen lauter Food-Säcke, die auch so angeschrieben sind. Wir fragen, was das bedeute. Da mit dem Memorial Day Weekend die ca. dreimonatigen (!) Schulferien beginnen, bekommen viele Kinder nicht mehr genug zu essen (sonst werden sie in der Schule verpflegt). Und so kann man solche Säcke kaufen, die dann an die lokale Foodbank abgegeben werden. Vorne also Sportfischen und hinten hungernde Kinder.
Auf dem Nachhauseweg passiert, was mir zigtausend Kilometer auf dem Fahrrad in vielen Ländern dieser Welt trotz Angst davor noch nie passiert ist: ein vorbeifahrendes Auto fährt in meinen Ellbogen, den ich hinter dem Rücken halte, um eine Tasche festzuhalten. Also weiter von der Strasse weg als normalerweise. Zum Glück komme ich nicht zu Fall, beginne sofort wahnsinnig und so laut wie möglich zu fluchen und sehe, wie der Truck (das Standardauto hier) munter auch extrem nah an Elgard vorbeischrammt. Nehme weiterhin brüllend die Verfolgung auf. An der nahen Ampel bemerkt mich der ältere Herr und lässt das Seitenfenster runter. Zu laut teile ich ihm mit, was er gerade angestellt hat. Er entschuldigt sich – akzeptiert – und meint, er hätte gedacht, der Abstand reiche. Für meinen personal space hat es jedenfalls nicht gereicht. Die Karren hier sind einfach unheimlich gross. Wozu?
Nun gut, Glück gehabt. Ellbogen hoffentlich intakt, wohl nur geprellt. Abgerundet wurde die US-Facettenparade durch das Nachtessen beim Italiener. So viel Saucen! Soviel, dass sogar angeboten wurde, sie uns als doggy bag mitzugeben. Schade. Aber: what a day!

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Klaus Tischhauser

Eine Antwort

  1. Hallöchen schön was ihr alles so erlebt und auch meistert. Wir verlassen morgen Greifswald und möchten keinen Winter mehr in Deutschland machen. Treffen mit den Kindern und Enkeln. Mitte Juli können wir starten in Richtung Portugal. Jetzt einbischen Boot fahren und ankern. Wollen in Belgien und Frankreich Freude besuchen. LG von uns

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