Schräger geht’s nicht mehr

Mann, Leute, heute haben’s die beiden aber ganz wild getrieben. Kaum zu glauben, was sich da abgespielt hat und was sie mir angetan haben. Aber der Reihe nach:
Von Oieras, dem Vorort von Lissabon aus, haben sie versucht, mich Richtung Setubal zu segeln. Das ging mehr schlecht als recht, schliesslich durfte ich meinen Anker dann in Sessimbra, das wir schon im 2008 angelaufen hatten, fallen lassen. Ruhige Nacht.
Dann ging es bei schoenstem Wetter rein nach Setubal. Die Flut war auf unserer Seite und so machte ich 8 Knoten ueber Grund. Vor der Halbinsel Troia legten sie mich an eine Stelle mit starkem Gezeitenstrom. Alle 6 Stunden musste ich daher meine Position mitsamt ca 50 Metern Kette um 180 Grad drehen. Das ging aber gut und ergab wieder eine sehr ruhige Nacht. Die beiden unternahmen noch einen Ausflug auf die Halbinsel, die voller luxurioeser Haeuser in den Duenen ist, ueber ein Kasino verfuegt und sogar einen kleinen Yachthafen. Aber zur Zeit ist alles eher tot. Aber von einem Strandspatziergang haben sie mir etwas Sand, den ersten dieses Jahr, an Deck geschleppt. Am Abend schmiedeten sie dann Plaene fuer den heutigen Tag: frueh raus ohne Fruehstueck, rueber nach Setubal, Anker schmeissen und fruehstuecken. Dann in die Stadt.
Die sind auch wirklich frueh raus und gleich rueber. Anker runter, Fruehstueck vor einem kleinen Sandstrand mit Strandbar in warmer Sonne. Das hat denen gefallen.
Dann geht’s los: sie meint, ich laege schon etwas nah am Ufer. Er entgegent, das sei schon ok, gleich sei Niedrigwasser und dann gehe es wieder aufwaerts. Blick auf den Tiefenmesser – 3.2 Meter (Wasser unter dem Kiel). No problem. Neuerlicher Blick aufs Echolot: 2.3. Meter. Noch eine Stunde bis Niedrigwasser, also ein paar Zentimeter, no problem. Aber stimmt schon, nachher sollten wir noch ein wenig weiter raus, damit wir dann Ruhe haben. Wieder Blick aufs Echolot. Keine Tiefe mehr. Ach, der Untergrund ist wieder so, dass er kein Signal reflektiert. Fertig fruehstuecken. Dann steht er auf, starten die Motoren und macht sich daran, den Anker hochzunehmen. Will losfahren. Ich glaube, er dachte zuerst, dass der Drehfluegelpropeller die Blaetter noch nicht richtig gedreht hatte, weil trotz viel Schub ich mich einfach nicht bewegen wollte. Auch schaute er etwas irritiert, als die Schrauben doch recht viel braune Bruehe hinter mir produziert hatten. Dann daemmerte es ihm. Das Echolot hatte keine Tiefe mehr angezeigt, weil es keine Tiefe mehr gibt! Mich kitzelt schon der Sand am Kiel. Mit jeder Minute druecke ich mich tiefer in den Sand. Auch unter Vollgas mit beiden Motoren mag ich mich nicht mehr bewegen.
Was ich nun hoere, toent nicht nach grosser Freude. Dass ich mich nun langsam zur Seite lege, gefaellt ihnen nicht. So entschliesst sich die Skipperin, das Boot zu verlassen, um den notwendigen Einkauf zu taetigen und um dem Ort des Grauens zu entfliehen. Er faehrt sie an Land und kehrt dann zurueck.
Die nette Strandbar erweist sich nun als nicht mehr ganz so nett. Es gibt immer mehr Interessierte, die sich ueber die schraege Yacht am Strand wundern.
Dann hat der Skipper eine dreiste Idee: machen wir doch die Not zur Tugend und fuehren Malerarbeiten am Heck aus, die man nur machen kann, wenn das Heck weiter als normalerweise aus dem Wasser ragt. So denken die Schaulustigen, dass da ein grosser Plan hinter der nicht alltaeglichen Situation steckt. So denkt zumindest der Skipper.
Wie auch immer: ich bin ihm schon dankbar, dass er ein paar Roststellen um meine Huefte und an meinem Allerwertesten in Angriff nahm. Mir ist die Schraeglage ja egal, ich kann das problemlos, solange der Grund weich ist. Aber fuer die Segler war es schraeger als es jemals unter Segeln wird. Aber zum Glueck nur fuer kurze Zeit. Kaum waren die Arbeiten abgeschlossen, richtete ich mich wieder auf und wurde gleich etwas weiter raus gefahren. Dann kam auch die Borddame wieder an Bord.
Sie haben mich aber gleich wieder verlassen und sind in die nette Strandbar zum Mittagessen gefahren. Sozusagen um Normalzustand zu signalisieren.
Und am Nachmittag haben sie dann schon mein Deck verschwitzt beim Sonnenbad. Wie wenn nichts geschehen waere. Die haben Nerven.
Eins muss man schon sagen: die beiden passen ja sonst recht gut auf. Aber heute war das wohl zu einfach. Daher hatte keiner auf die Karte geschaut. Sonst haetten sie gesehen, dass sie den Anker jenseits der 2-Meterlinie geworfen hatten (bei 1.90 Tiefgang! Und Leermond = besonders niedriges Wasser), was sie ja sonst wirklich nie machen. Aber so ist das eben: segeln verzeiht meist keine Fehler. Ich verzeih ihnen dieses Mal, da ich ausser ein wenig Kitzeln am Kiel ja noch etwas Kosmetik erhalten habe.
A propos Kosmetik: der Skipper hat sich kurz nach meinem Bericht wieder rasiert. Gut so.

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Klaus Tischhauser

2 Antworten

  1. Ich gönne mir Euren Bericht zum Frühstück. Herrlich. Geniesst den Süden. Bei uns blüht der Kirschbaum. Lieber Gruss Susanne und Fredi

    1. Wir sitzen auch schon wieder beim Frühstück an selbiger Stelle, nur etwas weiter draussen. Wir fühlen uns sicherer und um eine Erfahrung reicher.
      Geniesst den Frühling!

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