So, nun sitzen wir bei einem Glas Rotwein (naja, das Glas wird immer nachgefuellt) und lassen den vergangenen ersten Segelmonat Revue passieren. Was gibt es da zu sagen?
Boot: Die September ist ein sensationelles Reiseschiff. Wir fuehlen uns wohl und sicher. Dank dem rundum abschliessbaren Mittelkockpit bleiben wir – selbst in England! – vom uns umgebenden Wetter gut geschuetzt und trocken. Das Platzangebot ist mehr als ausreichend, bei entsprechendem Wetter (siehe Wetter!) wird das sogar noch besser.
Crew: der erste Monat hat einige Pruefungen fuer die Crew – allesamt Novizen – und deren Moral bereit gehalten. Es hat sich herausgestellt, dass alle, mit Ausnahme des Smutjes (das ist das fuer das leibliche Wohl zustaendige Crew-Mitglied – Praedikat: ausgezeichnet), sich auf einer sehr steilen Lernkurve befinden und das auch noetig ist. Es wurden fast ausnahmslos alle Pleiten und Pannen, die der Segelralltag so bietet, durchlebt. Resultat: diverseste Schrammen am Bootsrumpf (Schleusen, Anlegemanoever), mehrere Grundberuehrungen und sogar einmal Steckenbleiben, Segeldefekt, Ruderbruch, Motorprobleme und, und, und. Aber: das Wichtigste ist, dass sich die Crew bisher keine ernsthaften Verletzungen zugezogen hat und die Moral, mit wenigen Ausnahmen, stets hoch war bzw. immer wieder auf ein akzeptables Niveau zurueckgekehrt ist. Und: alle Segler machen das durch, wir befinden uns in guter Gesellschaft. Kommt hinzu, dass wir einfach zu wenig Zeit hatten in der Vorbereitung, um uns um alle Details zu kuemmern. Aber das hat uns auch gezeigt, dass man los kann, auch wenn nicht alles perfekt ist. Sonst kommt man ja nie los.
Segeln: siehe Wetter! Wetter: Hier kommen wir zum eigentlichen Tiefpunkt. Juli und August lassen selbst in diesen Breitengraden mal etwas Sonne erwarten. Die hatten wir auch, dann aber unguenstigen Wind. Der Berichtsmonat hat uns wohl gerade mal drei (3!) vernuenftige Segeltage beschert! Der Rast war Plackerei, Warterei. Und hier in England wird dem Ganzen noch die Krone aufgesetzt. Mehr Grau, Regen, Nebel geht wohl nicht (die Leute hier wuerden wohl sagen: klar geht das, das kann durchaus schlimmer sein.) Aber das muessen wir nicht haben. Vom von uns bisher unterschriebene Satz: es gibt kein schlechtes Wetter, sonder nur schlechte Kleidung, wollen wir uns nun klar distanzieren. Es GIBT schlechtes Wetter, da hilft keine Kleidung. Und dieses Wetter kann ausschliesslich von Briten ohne Schaden fuer die Moral ueberstanden werden. Von uns nicht.
Das Reisen an und fuer sich: das hat bisher eigentlich nicht statt gefunden. Zu sehr bewegen wir uns noch in ‚unserer‘ Welt und waren vor allem mit dem Boot und dem uns Einleben beschaeftigt. Landausfluege mit den Fahrraedern sind bisher ausgeblieben. Zweckgebundene Fahrten hat es zwar gegeben, aber sonst war da noch nichts. Urspruenglich wollten wir Suedengland etwas mit den Fahrraedner erkunden. Aber bei dem Wetter laesst man ja nicht mal die Hunde raus. Was sich langsam aendert: hier in Falmouth treffen und suchen sich die Fahrtensegler. Man spricht sich gegenseitig bezueglich Wetterentwicklung ab. Eventuell wird man gemeinsam losfahren. Schicksalsgemeinschaft. Das ergibt Erfahrungsautausch, wie wir ihn schon vom Fahrradfahren und Afrika her kennen.
Unterschiede zum Fahrradfahren: das Gesamtsystemt Schiff, verglichen mit dem Gesamtsystem Fahrrad, ist so viel komplexer, dass es auch einen deutlich hoeheren Anteil an der Aufmerksamkeit und der Zeit der Reisenden in Anspruch nimmt. Kommt hinzu, dass man mit dem Fahrrad zwanglaeufig mit Land und Leuten in engeren Kontakt kommt. Dies blieb bisher praktisch aus. Das kann sich allerdings in Abhaengigkeit der Destination noch stark aendern. Kurz: es ist einfach ein komplett anderes Reisen. Das ist fuer uns OK, wir haben vom Reisen mit dem Fahrrad ja schon sehr viele Eindruecke gewonnen. Auch koerperlich ist Segeln natuerlich anders als Fahrradfahren. Allerdings hatten wir uns das anders vorgestellt. Die koerperlchen Strapazen sind z.T. erheblich. Insbesondere der kurzfristig sehr hohe Krafteinsatz, verglichen mit der auf Ausdauer ausgerichteten Leistung auf dem Velo, fuehrt zu Schmerzen und Erschoepfungszustaenden, wie wir sie beim Fahrradfahren nie erlebt hatten. Das hatten wir wirklich nicht erwartet. Die Belastung durch die Nachtfahrten hatten wir eher erwartet, sind aber auch Grund des Wetters und der bisherigen bezueglich Verkehr und Wassertiefen anspruchsvollen Fahrtgebiete doch etwas belastender.
FAZIT: Es ist anders als erwartet, wobei wir ja kaum wussten, was da wirklich auf uns zukommt. Wir haben viel Wichtiges gelernt und sind sehr guter Dinge. Wir sehen den weiteren Seemeilen sehr positiv und entspannt entgegen.
Gruss von der gesamten September-Crew!
PS: Das schlechte Wetter hat auch seine positiven Seiten: die Crew-Sweater, die wir von der responsAbility-Crew geschenkt bekommen haben, erfreuen sich groesster Beliebtheit!